Kirsten Landwehr
Einfach so

In seinem gefeierten Buch „kreativ. Die Kunst zu sein“ (2023) beschreibt der US-Musikproduzent Rick Rubin die Notwendigkeit, den richtigen Augenblick als Teil des kreativen Prozesses zu erkennen: „Wie greifen wir ein Signal auf, das man weder hören noch definieren kann? Indem wir nicht danach suchen. Und auch nicht versuchen, unseren Weg dorthin vorherzusagen oder zu analysieren. Stattdessen müssen wir einen offenen Raum schaffen. Einen Raum, der so frei von dem normalerweise überladenen Zustand unseres Geistes ist, dass er wie ein Vakuum funktioniert und die Ideen anzieht, die das Universum zur Verfügung stellt.“ Der Künstler, so Rubin, ist, wie alle Natur, in einen „kosmischen Zeitplan“ eingebunden.

Unter den vielen künstlerischen Materialien und Techniken erscheinen Ton und Keramik besonders eng mit der Natur und dem kosmischen Zeitplan verbunden. Mehr noch: Je virtueller, beschleunigter und entfremdeter unsere Gegenwart wird, desto attraktiver erscheinen Ton als künstlerisches Urmaterial und Keramik als künstlerische Urtechnik für die Gegenwartskunst. Denn sie repräsentieren Zeitlichkeit und Körpernähe. Der Herstellung von Keramik liegt eine komplexe Choreographie von zeitaufwändigen Arbeitsphasen und Arbeitspausen zugrunde. Die Glasurtechniken und der Brennvorgang erfordern Geduld, Erfahrung und Energie. Nicht zuletzt ist Keramik über den Abdruck der Hand eng mit dem menschlichen Körper verbunden.

Man müsse dem Ton Zeit lassen, um „sich von einer Konsistenz in eine andere zu bewegen“ erklärt Kirsten Landwehr. Die Berliner Keramikerin arbeitet in einem abgelegenen Land-Atelier nordwestlich von Berlin, in der Nähe von Rheinsberg. Sie versuche aber auch „mutig mit dem Ton umzugehen“ sagt die Keramikerin, die 1972 in Rostock geboren wurde. „Teil des Experiments ist es, Erfahrungen zu machen.“ Bewusst setzt Landwehr den Zufall als Teil ihres Systems ein. Für die Herstellung ihrer Glasuren verwendet Landwehr natürliche Materialien wie Asche, Erden, Moose, Schilfe und fein gemahlene Eier-, Austern- oder Muschelschalen. Sie verleihen ihren organisch geformten Gefäßen einen modernistisch-erdverbundenen Charakter. In Ihrer Arbeit sucht Landwehr nach einem Moment, in dem das Material eine Gestalt annimmt, sich eine überraschende Wendung in Form und Glasur manifestiert. Dann tritt plötzlich ein Charakter hervor, durchzogen von Humor und einer leicht absurden Note. So materialisieren sich Formen, die vom kreativem Gespür ihrer Produzentin erzählen und im Einklang mit der Gegenwart stehen.

Kito Nedo